Whitney–Houston-Biopic „I Wanna Dance with Somebody“: Filmstart und Kritik - WELT (2024)

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Da ist diese junge Frau. Strahlendes Lächeln, blitzende Augen, das ganze Leben noch vor ihr. Ein bisschen scheu noch, als sie in einem Park von einer anderen jungen, sehr viel robusteren Frau angesprochen und nach dem Namen gefragt wird, Whitney Elizabeth Houston sagt sie, inklusive des zweiten Vornamens. Sehr unschuldig noch alles, auch ihre Träume. Sie will Profisängerin werden, sagt Whitney Elizabeth Houston, wir ihre Mutter, ihre Tante und ihre Patentante, aber bis jetzt reicht es nur für Gospels in der Messe und die Shoobie-Doos als Begleitung bei den Konzerten ihrer Mum, die Latten liegen unermesslich hoch.

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Doch diese Frau hat eine Stimme, die jeden, der sie zum ersten Mal hört, auf der Stelle umwirft, es ist, als käme sie nicht aus einem schmalen Menschenkörper, sondern aus dem Himmel. Und aus irgendeinem Grund, der weniger mit harter Arbeit, ständigem Training, dem Großwerden in einer Sängerinnendynastie und dem Ehrgeiz ihrer Eltern zu tun hat, sondern eher mit Magie, kann sie mit dieser Stimme von Anfang an so umgehen, wie das normalerweise erst nach sehr viel Lebens-, Liebes- und Leiderfahrung möglich ist.

Sie kann die Lieder, die sie singt, ganz leise beginnen, zärtlich, jedes Wort vorsichtig antippend. Sie kann so fein phrasieren, als wolle sie erst einmal nachfühlen, worauf sie sich einlässt, wie jemand, der vorsichtig in ein kaltes Schwimmbecken steigt, ehe er sich endgültig ins Wasser stürzt. Aber dann legt sie los. Singt sich so hoch hinaus, dass man es nicht glauben kann – und gleich danach noch ein paar Noten höher, es ist unwirklich. Wer das hört, ist hin und weg, von Anfang an. Jedenfalls ist es so gewesen, als noch niemand Whitney Elizabeth Houston kannte.

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Die Geschichte dieser Frau und ihrer Stimme erzählt Kasi Lemmons nun in ihrem Biopic „I Wanna Dance with Somebody“. In ihm kommt alles vor, was die Houston-Legende ausmacht. Die Entdeckung durch den Produzenten Clive Davis bei einem Konzert. Ihr erster Auftritt im Fernsehen, 1983 bei der Merv Griffin Show. Ihre Freundschaft mit Robyn Crawford, eigentlich eine Liebesgeschichte, die Houston sich nicht erlaubt, weil man in den Achtzigern noch nicht gleichzeitig lesbisch und Popstar sein kann. Ihre Vermarktung als amerikanische Prinzessin. Ihr geradezu lichtgeschwindigkeitsschneller Aufstieg zu einem Superstar, erfolgreicher selbst als die Beatles.

Alles drin

Die bösartigen Sprüche aus der Black Community, sie verkaufe sich an den Geschmack der Weißen. Ihr Unglück, sich in den falschen Mann zu verlieben, obwohl der nie einen Zweifel daran lässt, wie schlecht er ihr tut. Ihr irrwitziger Auftritt 1991 beim Super Bowl, bei dem sie in einem weißen Trainingsanzug die amerikanische Nationalhymne so überirdisch gut singt, als wäre sie davor nie gesungen wurden. Ihr Erfolg als Schauspielerin in „The Bodyguard“ mit Kevin Costner.

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Und ihr jahrelanger Abstieg, nachdem sie begonnen hatte, gegen ihren Stress anzukoksen. Abgebrochene Konzerte, Fans, die das Geld für ihre Tickets zurückbekommen wollen, weil ihr Idol nicht mehr so hoch kommt, wie sie es erwarten durften, derangierte Fernsehinterviews. Und schließlich ihr Tod in einer Badewanne im Beverly Hilton Hotel im Februar 2012, mit 48.

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Alles drin also, was in einer verfilmten Biografie von Houston unbedingt sein muss, und obwohl Clive Davis und diverse Familienmitglieder bei der Produktion beratend tätig waren, kann man ihr nicht Schönfärberei vorwerfen. Nicht nur die naheliegenden Verdächtigen – der toxische Vater, der ihr Geld verprasst, und der toxische Ehemann, der ihr Geld verkokst – kommen so schlecht weg, wie es die historische Gerechtigkeit erfordert. Auch die Sängerin selbst wird nicht exkulpiert.

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Niemand hat sie dazu gezwungen, sich um ihre Finanzen nicht zu kümmern, eine schlechte Ehe viel zu lange zu erdulden, ihre Stimme bei viel zu vielen Auftritten und mit viel zu vielen Drogen kaputtzumachen. Hier werden keine Kindheitstraumata, schlimme Umgebungen und ungünstige gesellschaftliche Bedingungen für einen Untergang verantwortlich gemacht. Wenn sich Whitney Houston, daran lässt der Film keinen Zweifel, mehr um sich und um ihr Talent gekümmert hätte, auf ihre Freunde gehört und ihr Geld in bessere Entziehungskuren gesteckt hätte, könnte sie immer noch ein prächtiges Leben führen.

Auch sonst gibt es an „I Wanna Dance with Somebody“ nichts auszusetzen. Die englische Schauspielerin Naomi Ackie, die Houston spielt, ist tatsächlich so etwas wie ihre Wiedergängerin, die 140 Kostüme und Dutzenden von Perücken sind ein Traum für alle, die gerne Kostüme und Perücken bewundern, Stanley Tucci als väterlicher Produzentenfreund ist so virtuos wie immer.

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Selbst was Werte und Weltanschauungen betrifft, hat man nichts zu meckern: Es ist wirklich tragisch, dass man noch in den Neunzigern keine lesbische schwarze weltberühmte Sängerin sein konnte, sondern heterosexuelle Maskeraden aufführen musste, vielleicht wäre es ja ohne diesen Druck nicht so schlimm gekommen. So gibt einem Lemmons Film auch ein wenig zu denken auf, glücklicherweise nicht allzu viel.

Das Beste aber ist: Niemand ist auf die Idee gekommmen, in einem Film, in dem das Leben Whitney Houstons nachgespielt wird, eine andere als sie ihre Lieder singen zu lassen – all die Knaller wie „One Moment in Time“, „My Love Is Your Love“, „It’s Not Right but It’s Okay“ oder „I Will Always Love You“. Naomi Ackie betreibt virtuoses Lippen-Synchronisieren, man mag sich nicht vorstellen, wie anstrengend es gewesen sein muss, sich das anzueignen.

Selbstverständlich ist dieses Vorgehen gerechtfertigt. Niemand könnte Houstons Stimme imitieren. Und die paar Sängerinnen, die es vielleicht doch drauf hätten (Beyoncé, Adele, Mariah Carey möglicherweise) würden es nicht tun. Aber ein wenig seltsam ist es doch, in einem Film zu sitzen, in dem eine Schauspielerin exakt so aussieht, exakt so spricht und sich exakt so bewegt wie die Sängerin, die zu spielen ihre Aufgabe ist – aber nicht singt, weil die einzige Frau, die so singen konnte, nicht mehr lebt. Houston, wir haben ein Problem.

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